Neue Geschichte

In den geschichtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, wie sich der moderne Sozialstaat aus der Geschichte heraus entwickelt hat und in der Bundesrepublik 1949 verfassungsrechtlich institutionalisiert wurde. Will man die Systematik von oben wieder aufgreifen, lässt sich die soziale Marktwirtschaft mit einigen Stichwörtern skizzieren:



Soziale Marktwirtschaft
Oberste Instanz: Bundesregierung und Parlament konstituieren sich aus freien Wahlen;
Gewaltenteilung; Bundesrat; Bundesländer; GG
Mittel der Regulierung:individueller Rechtsanspruch auf menschenwürdiges Leben; Umverteilung über
Solidargemeinschaften der Sozialversicherten (Pflege, Arbeitslosigkeit, Rente,
Krankheit) und der Steuerzahler (Sozial-, Jugendhilfe, Stadtentwicklung, Kultur...)
andere relevanteGewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Glaubensgemeinschaften
Akteure:

Da die sozialstaatlichen Grundlegungen des GG bis heute theoretisch nicht an Gültigkeit eingebüßt haben, schien es sinnvoll, zunächst einen Überblick darüber zu geben, welche Praxis der Sozialen Arbeit sich aus den theoretischen Setzungen entwickelt hat. Zunächst wurde mit dem Phasenmodell eine Strukturierung gefunden, anhand derer sich die klassischen Elemente Sozialer Arbeit verdeutlichen ließen; mit den beiden klassischen Methoden der Gruppen- und Gemeinwesenarbeit wurde anschließend der Einblick in die praktische Arbeit intensiviert. Am BSP von Empowerment sollte dann u.a. verdeutlicht werden, wie Fremdzuschreibungen und -erwartungen seitens (Sozial-) Politik und -Verwaltung, sowie öffentlicher Meinung zunehmend mit dem allgemeinen und berufsethischen Selbstverständnis unsere Profession kollidieren. Als schmerzliche Folge solcher Widersprüche zwischen Rahmenbedingungen und professioneller Zielvorstellungen wurde zuletzt die Bedeutung von Burnout in der Sozialen Arbeit umrissen.

Schon die letzen beiden Kapitel haben Hinweise darauf gegeben, dass sich praktische (Sozial-) Politik zunehmend von den theoretisch noch geltenden verfassungsrechtlich fixierten Sozialstaatsprinzipien verabschiedet; dieser Wandel wird im Folgenden genauer betrachtet. Dieses Buch abschließend soll der Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten es gibt, diese Entwicklung zum Wohle der Sozialen Arbeit und ihres Klientels zu stoppen. Der vereinzelnd geäußerte Protest gegen den Sozialstaatsabbau zielt v.a. darauf ab, der in Verfassung und Grundrechten fixierten Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen; diese Grundrechte dienen auch meinen weiteren Ausführungen als Referenzpunkt. Wenngleich die Kritiker des Sozialabbaus mit zunehmender Radikalität ihres Protestes diskreditiert und ggf. auch kriminalisiert werden, stellen letztendlich doch nicht sie die Bedrohung der Verfassung dar, sondern die Protagonisten einer von sozialer Verantwortung befreiten Marktwirtschaft.Engagement für soziale Grundrechte ist die zentrale Aufgabe unserer Profession; es ist unsere professionelle und verfassungsrechtliche geschützte Normalität. Zum Politikum wird ein solches Engagement erst dadurch, dass sich die normentragenden Majoritäten ihrer Macht bedienen, die sozialen Grundrechte zu delegitimieren. Wird die Ausgrenzung benachteiligter Menschen zur Normalität erklärt, sind alle Akteure der Sozialen Arbeit aufgefordert, sich dem Bedeutungswandel entgegen zu stellen. Dies ist logischerweise keine Frage von Methodik oder Didaktik, sondern eine des (sozial-) politischen Widerstandes; ich will von ,Empowerment in eigener Sache' sprechen. Dies bedeutet,

Ob und warum er mit seiner pessimistischen Einschätzung Recht hat, wird im Folgenden zu klären sein:

Um die Entwicklung der jüngeren Geschichte besser veranschaulichen zu können, will ich die beiden zentralen Elemente, die den "demokratischen und sozialen Bundesstaat" (§20 GG) prägen, noch einmal kurz hervorheben. Es handelt sich um

1. den herausragenden Rechtsanspruch eines jeden Individuum gegenüber Gesellschaft und Staat, ein menschenwürdiges Leben führen zu können und

2. das Solidarprinzip, nach dem der Staat alle Gesellschaftsmitglieder zur Verantwortung zieht, um eben gegenüber jedem einzelnen Menschen seinen Rechtsanspruch auf ein menschenwürdiges Leben einzulösen.

Recht des Menschen auf ein menschenwürdiges Leben:



Nachdem im Nationalsozialismus die Interessen der einzelnen Menschen einem beliebig konstruierten ,Volkswohl' untergeordnet wurden, um Zwang, Repression und Vernichtung von Teilen der Bevölkerung legitimieren zu können, sollte mit dem GG das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft umgedreht sein. Wurden zuvor ,zum Wohle der Allgemeinheit', ,zur Sicherung des 'Volkswohls', ,zur Stärkung unserer Rasse'.Heirats- und Arbeitsverbote erlassen, Menschen zur Zwangsarbeit verpflichtet, zwangssterilisiert, zur Abtreibung gezwungen oder ermordet und wurden zugleich andere Frauen -quasi im Namen ,des Volkes'- verpflichtet, Kinder zur Welt zu bringen, stand nun das einzelne Individuum im Mittelpunkt. Nach §1 GG sollte nun jeder einzelne Mensch gegenüber dem Zugriff des Staates geschützt und der Staat zugleich verpflichtet sein, -als oberstes Staatsziel- jedem Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Die im GG dem einzelnen Individuum zuerkannte Rechtsposition, wird in allen für die Soziale Arbeit grundlegenden Gesetzen an ebenfalls hervorgehobener Stelle implizit und explizit Rechnung getragen.<ref>1961 in §1 BSHG; 1975 in §1 SGBI; 1986 in §1 BauGB und 1990 in §1 KJHG.</ref>

Das Solidarprinzip:

lässt sich implizit daraus ableiten, dass benachteiligte Menschen zur Realisierung eines menschenwürdigen Lebens Hilfebedarfe haben, die der Staat -getreu seines Auftrages nach §1 GG- nur über die Umverteilung von Ressourcen der besser situierten Gesellschaftsmitglieder ,nach unten' erfüllen kann. Nach §3 GG dürfen Menschen nicht gegenüber anderen benachteiligt bzw. bevorzugt werden; explizit nicht wegen Geschlecht, Behinderung, politischer Überzeugung, Religion, Glauben, Herkunft, Heimat; sie sind "vor dem Gesetz gleich." Entgegen der vielfach formulierten Auffassung, es ginge hierbei nur um die Chancengleichheit, bezieht sich Gleichheit i.d.Z. jedoch auf das Ergebnis! Ein menschenwürdiges Leben soll nicht nur für jeden Menschen theoretisch und rechtlich möglich sein (Aufhebung von Berufsverboten, Sicherung von politischen Rechten unabhängig von Religion, Geschlecht, Stand), sondern faktisch hergestellt werden. Es geht also darum, die Gleichberechtigung tatsächlich durchzusetzen; Benachteiligungen tatsächlich zu beseitigen:

Die für die soziale Unterstützung benötigten finanziellen Mittel, müssen nach dem Solidarprinzip innerhalb der Solidargemeinschaft der Sozialversicherten oder Steuerzahler umverteilt werden. Wegen der verfassungsrechtlich exponierten Stellung der individuellen Grundrechte, steht der Hilfebedarf des Einzelnen dabei im Mittelpunkt und erzwingt die Finanzierung; explizit kann er nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden! Eingangs wurden die sozialstaatlichen Prinzipien der Bundesrepublik mit Rawls ,Theorie der Gerechtigkeit' (1975) verglichen: Wenn die Menschen unter dem sog. ,Schleier des Nichtwissens' -also ohne zu wissen, was aus ihnen selber wird- über Regeln sozialer Gerechtigkeit zu befinden hätten, würden sie sich auf einen Kompromiss einigen, so die Theorie: Der Kompromiss würde auch relativ benachteiligten Menschen ein Leben in Würde sichern, da man ja nicht weiß, ob man später vielleicht selbst zu den Benachteiligten gehört. Wettbewerb würde zwar befürwortet, die Belohnung der erfolgreichen Menschen jedoch soweit reglementiert, dass zur Unterstützung der benachteiligten Gesellschaftsmitglieder genug Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Im §14 GG fühlt man sich an diese theoretische Konzeption erinnert:

"(...) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."



Die Erhebung von Vermögens- und Erbschaftssteuer ist bsp. eine Möglichkeit dem Solidarprinzip auf der Vermögensseite Rechnung zu tragen; die progressive Einkommensbesteuerung ist eine Entsprechung auf Seiten des Einkommens. ,Soziale Marktwirtschaft' ist weder als Begriff im GG fixiert, noch von Rawls formuliert, sondern vom damaligen CDU-Wirtschaftsminister und späterem Bundeskanzler Ludwig Erhard geprägt worden. Es scheint der passende Begriff zu sein, um einen steuernden Staat zu charakterisieren, der sowohl zur Leistung motivieren und sich zugleich seiner sozialstaatlichen Verpflichtung nicht entzieht. Wettbewerb und Konkurrenz werden zugleich als zentrale Grundlage für eine wirtschaftliche Aufwärtsdynamik stimuliert, dann jedoch unter Vorbehalt des Gemeinnutzens gestellt; die ,Gewinner' des Wettbewerbs tragen damit die Verantwortung für ein menschenwürdiges Leben der ,Verlierer'. Diese ,Bändigung des Kapitalismus' galt den Gründungsvätern des GG als fundamentaler Bestandteil; der Begriff ,soziale Marktwirtschaft' umschreibt dieses Prinzip. Er ist geläufig; inhaltlich hat er das kollektive Bewusstsein der Bundesbürger jedoch nur oberflächlich durchdrungen. Die aktuelle Tendenz, auf der Einnahmenseite besser situierte Gesellschaftsmitglieder aus der sozialen Verantwortung zu entlassen, um dann mit Verweis auf die ,leeren Kassen' Hilfebedarfe zu delegitimieren und unberücksichtigt zu lassen, scheint nicht nur moralisch, sondern auch verfassungsrechtlich fragwürdig...

Das Grundgesetz und das 'Wirtschaftswunder':

Wenngleich der ,Schleier des Nichtwissens' eine theoretische Konstruktion ist, lassen sich in Deutschland in zeitlicher Nähe zum 23.05.1949<ref>Verabschiedung des GG.</ref> zahlreiche reale Ansatzpunkte finden, die Nichtwissen, Unsicherheiten, Zukunftsängste.begründen und so die Entscheidung im GG für den Kompromiss einer reglementierten, der Allgemeinheit verpflichteten sozialen Marktwirtschaft rational erscheinen lassen. Man muss bedenken, dass

Diese Ereignisse und viele andere mehr können nicht als singulär betrachtet werden, sondern müssen in einem großen Zusammenhang allgemeiner Verunsicherung auch bzgl. der eigenen Zukunft interpretiert werden. Aus der allgemein pessimistischen Grundstimmung heraus, wurden die Ereignisse selektiv wahrgenommen und subjektiv (über)bewertet. Genau diese subjektiven und emotionalen Bewertungen entscheiden in der Summe letztendlich aber über gesellschaftliche Stabilität und Loyalität ihrer Mitglieder. Das Verhältnis zum GG war zunächst nicht von großer Identifikation geprägt, sondern eher von einem resignativen Gefühl, dass es schlimmer nicht kommen könne. Schon 1950 setzte ein massiver Wirtschaftsaufschwung ein, der dann -abgesehen von einer kurzen, schnell überwundenen Phase der Stagnation 1966/67- bis 1973 anhalten sollte.

"1945 war Deutschland zerstört. Die Bevölkerung überlebte in bitterer Not. Es gab kaum zu essen, nichts anzuziehen. Nur wenige Wohnungen waren nicht zerstört oder beschädigt. Es gab selten Strom und Gas und keine Kohlen zum Heizen. Der Wiederaufbau in den ersten Jahren nach dem Kriege war langsam. 1948 kam die Währungsreform. Schon zwanzig Jahre später, zur Zeit der Studentenrevolte des Jahres 1968, waren Not und Elend verschwunden, lebte die Bevölkerung der Bundesrepublik in einem bis dato unbekannten Wohlstand. Sicher, einige wurden reicher und reicher, und andere partizipierten nur wenig am wachsenden Wohlstand des Landes. Aber Hoffnung auf Besserung der persönlichen wirtschaftlichen Situation - die hatten damals fast alle Menschen in der Bundesrepublik." (Afheldt 1996: 11).

Als entscheidender Indikator für die soziale Entwicklung kann sicherlich die Zahl und Quote der Arbeitslosigkeit herangezogen werden. Bis Anfang der 70er Jahre lässt sich eine rapide Verbesserung ablesen, die dann mit der ersten Ölkrise zunächst ins Stocken gerät und sich dann -bis heute- ins Gegenteil verkehrt:


----
Jahr
1950
1954 1958
1962 1966 1970 1974 1976 1980 1982 1984 1988 1992 1996 1998 2000<ref>In: STABU 2002: 85.</ref> 6/2003<ref>??</ref>
Arbeitslosen-quote in % der abhängig Beschäftig-ten (STABU 2002: 97) 11 7,6 3,7 0,7 0,7 0,7 2,6 4,6 3,8 7,5 9,1 9 6,6 10,1 10,5 9,2 10,2

In dem Maße, wie die Arbeitslosenquote von 12,8% (1950) auf 0,7% (1966) sank, stieg auch der allgemeine Wohlstand. Diese Entwicklung -,Wirtschaftswunder' genannt- wurde dem damaligen Wirtschaftsministers und späteren Bundeskanzlers Ludwig Erhard als Verdienst bzw. Erfolg zugeschrieben. In verhängnisvoller Weise wurden nun Wohlstand, ,soziale Marktwirtschaft' und Verfassung in einen derart nahen programmatischen Zusammenhang gerückt, dass GG und Wohlstand später quasi synonym benutzt wurden und verfassungsrechtliche Grundlagen heute durch wirtschaftliche Interessen zur Disposition gestellt werden können, kaum dass sich die Wohlstandsgewinne reduzieren. Zwar stiegen damals mit der Freude über den zunehmenden Wohlstand gesellschaftliche Stabilität und Integration; dies konnte jedoch weder als Zustimmung zu demokratischen Prinzipien, geschweige denn als Identifikation mit dem Solidarprinzip des GG interpretiert werden. Einkommen, Reichtum und Bruttosozialprodukt wuchsen gesamtgesellschaftlich derart schnell und massiv, dass alle Menschen Gewinner waren, Zugewinne verbuchten und sich darüber freuten, wieder mehr einkaufen zu können. Integration begründete sich nicht auf der Verinnerlichung demokratischer Grundprinzipien, sondern auf der Ersatzbefriedigung des Konsums; Integration und Verfassungstreue sind nun zugleich bedroht, sinkt die Kaufkraft wieder.Die von Seiten konservativer Politiker oder Sozialwissenschaftler bemühten Begriffe wie ,Wirtschaftswunder', ,Wohlstand für alle' oder ,nivellierten Mittelstandsgesellschaft' reduzierten die Gesellschaftsordnung auf ihre materielle Seite; entsprechend einseitig verstärkte sich der Zuspruch in der Bevölkerung.



Dies führte zu einer Entpolitisierung des ,Wiederaufbaus' der BRD und ermöglichte, die Debatten der gesellschaftlichen Linken bzw. der Gewerkschaften um die fortdauernden sozialen Ungleichheiten und -gerechtigkeiten, den Besitz an Produktionsmittel, die Verteilung des Volkseinkommens und seiner Steigerungsraten, die Ausbeutung der ,Dritten Welt'.zu unterdrücken. Wer dennoch Kritik an der Eindimensionalität gesellschaftlicher Integration übte, lief Gefahr als ,Kommunist' stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden und dann seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Wer eine selbstkritische Reflexion bzw. Aufarbeitung des Faschismus einforderte, stieß bei den kollektiv konsumierenden Massen auf kollektiven Widerstand zur Abwehr ihrer kollektiven Scham oder Schuld; Hitler allein hatte Schuld und der ist ja nun tot...

Afehlt (1996) sieht in der Wohlstandsmehrung den Sozialstaat eingelöst, weil allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht wird; auch er betrachtet dabei den Sozialstaat allein von der Seite des materiellen Ergebnisses. Solange jedoch dieser Wohlstand nicht aus dem verfassungsrechtlich verankerten Solidarprinzip resultiert, sondern aus dem ,großen Topf', des sprunghaft ansteigenden Volkseinkommen und -vermögens, ausgezahlt wurde, fehlt dem Sozialstaat der Beweis seiner Funktionalität. Solange das Solidarprinzip nicht auf die Probe gestellt wurde und in schlechten Zeiten die benachteiligten einzelnen Menschen noch nicht von der Solidarität haben profitieren können, schein Afehlts Urteil verfrüht. Erst im Krisenfall, wenn die Zuwachsraten nicht mehr für alle reichen und die solidarische Umverteilung von ,oben' nach ,unten' realisiert ist, hat sich das Sozialstaatsprinzip bewiesen. Die unpolitische Interpretation während des ,Wirtschaftswunders' lässt auch andere Einschätzungen zu:

"Durch das Fürsorgeverhältnis schützt die Gesellschaft weniger den Armen (selbst) als (vielmehr) den gesellschaftlichen Status quo" (Kronauer 2002: 22) und fördert damit weder Demokratiebewusstsein, Solidarität, Emanzipation noch politische Partizipation.

Die historische Phase, in der gesellschaftliche Integration und Entpolitisierung der Bevölkerung durch Massenkonsum von billigen und standardisierten Gütern, der Massenproduktion, die über hohe Löhne und soziale Transferleistungen abgesichert wurde, wird mit dem Begriff ,Fordismus' bezeichnet. Der Automobilhersteller Ford, auf den diese Bezeichnung zurückgeht, brachte mit dem Ausspruch ,Autos kaufen keine Autos' auf den Punkt, warum Löhne der Arbeitnehmer und Transferleistungen der Arbeitslosen hoch sein müssen, um die wirtschaftliche Dynamik in Gang zu halten. Das Wirtschaftskonzept der ,keynsianischen Nachfragepolitik' knüpft an diesem Zusammenhang an und begründet eine wirtschaftspolitische Interventionsstrategie zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen, die im klaren Gegensatz zur heute betriebenen monetaristischen Angebotsstrategie steht, welche den Unternehmer finanziell entlastet. (s.u.) Trotz einer kurzen Phase der Rezession 1966/67 kann man zusammenfassen, dass der wirtschaftliche Aufschwung bis 1973 ermöglichte, allen Teilen der Bevölkerung Wohlstandszuwächse zu sichern. Da der Solidarfall als konstitutives Element von GG und Sozialstaat bis dahin noch nicht eingetreten war, stand der Beweis seiner Funktionalität also noch aus.

Das Ende des ,Wirtschaftswunders':

Mit der Ölkrise brach die volkswirtschaftliche Aufwärtsdynamik ein, so dass sich Wohlstandszuwächse nicht mehr für alle gesellschaftlichen Teilgruppen gleichzeitig finanzieren ließen. Die seither kontinuierlich steigende Arbeitslosigkeit verschärfte die Debatte um die Verteilung der nun sinkenden Zuwächse. Die Bereitschaft der besserer situierten Teile der Gesellschaft, zugunsten (relativ) benachteiligter Menschen auf ihre gewohnten Zugewinne zu verzichten, bliebt aus, kaum dass sie das erste Mal gefordert war. Die Frage, ob und inwieweit diese Solidarität eingefordert oder erzwungen werden darf und soll, um dem verfassungsrechtlich fixierten Solidarprinzip Rechnung zu tragen, bestimmt die kontrovers geführte Debatte. Anhand von drei Ereignissen will ich darlegen, wie sich der Streit verschärft hat und das verfassungsrechtliche Sozialstaatsprinzip genau in dem Maße preisgegeben wird, wie es herausgefordert ist. Als Meilensteine für Brüche in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind zu benennen:

1. Die erste Ölkrise 1973 und die Weltwirtschaftskrise 1974/75

2. Die zweite Ölkrise 1982 zusammen mit der Bundestagswahl 1983, welche die CDU unter Helmut Kohl mit der Ankündigung der ,geistig-moralischen Wende' für sich hat entscheiden können

3. Die deutsche Wiedervereinigung 1989/90

Die erste Ölkrise 1973 und Weltwirtschaftskrise 1974/75:

1973 war erstmals der ,Ernstfall' des Sozialstaates eingetreten; die Solidarität der Leistungsträger war gefordert. Das wirtschaftliche Wachstum brach in Folge steigende Ölpreise weltweit ein und führte den westlichen Industrienationen ihre Abhängigkeit von Öl und Ölpreis deutlich vor Augen. In den 24 Jahren nach der verfassungsrechtlichen Fixierung des Solidarprinzips hatte sich auch der ,Schleier des Nichtwissens' verzogen: Wer heute wohlhabend und reich war, konnte sich weitestgehend sicher sein, dass sich an dieser Situation weder für sich noch für seine Familie und Kindern etwas ändern wird. Wer reich und mächtig ist und nun noch seine Zukunftsangst verliert, nutzt seinen Einfluss, sich der sozialstaatlichen Solidarität zu entziehen; das gesellschaftliche Problem mangelnder Solidarbereitschaft trat erstmals in aller Deutlichkeit hervor. Die Frage, wer im Falle der Krise Abstriche in Kauf nehmen muss, begründet seither den sozialpolitischen Streit. Vor dem Hintergrund des GG liegt das ,Problem des Sozialstaates' eindeutig nicht darin, dass die Armen in schlechten Zeiten ihren sozialen Standard erhalten wollen, sondern darin, dass die Reichen ihre gewohnten Steigerungsraten weiter durchsetzen wollen und dafür all ihre Macht in die Waagschale werfen. Der Erfolg der allgemeinen Wohlstandsmehrung für die gesellschaftliche Integration wird von dem konservativen Strategen Wolfgang Schäuble (1994:<ref>Wolfgang Schäuble Und der Zukunft zugewandt</ref> ganz richtig eingeordnet. Auch er stellt fest, dass der Zuspruch zur Gesellschaftsordnung aus materiellen Interessen resultiert und es an einem Bewusstsein für die demokratischen Strukturprinzipien fehlt:

"Gerade die wirtschaftliche Aufbauleistung und die Wohlfahrtsausschüttungen einer ausgeprägten Sozialstaatlichkeit waren in der Vergangenheit die Garanten des hohen Ansehens unseres Staates und seiner Organe im Bewusstsein der Bürger. Denn anders als in den klassischen Demokratien konnte sich die demokratische Neugründung der Bundesrepublik nicht auf einen historisch gewachsenen freiheitlichen Grundkonsens stützen. (...) Ich wage sogar die These, dass selbst die hohe Zustimmung zum GG hiermit zusammenhängt, wofür es nach meiner Ansicht eine einfache Erklärung gibt: Die Prinzipien der Verfassung bleiben im Bewusstsein der meisten Menschen abstrakte Gegenstände. Zwar genießen sie alle Vorzüge dieser Freiheitsordnung; solange aber diese Freiheitserfahrung ohne die Herausforderung fremder Eingriffe oder Widerstände geschieht, gibt es nichts, was den freiheitsgenießenden Menschen an die Verfassungsbedingtheit seiner Freiheit erinnern würde. Anders verhält es sich hingegen mit der wirtschaftlichen und sozialen Dimension: Diese sind lebenspraktisch jeweils unmittelbar erfahrbar, so dass neue Annehmlichkeiten zunächst einmal als etwas Besonderes und keineswegs Selbstverständliches empfunden werden; dies gilt wenigstens so lange, wie die Erinnerung der Menschen an die ehedem schlechteren Verhältnisse noch präsent ist. Und eben diese Voraussetzung war in den Jahren der Gründung und des Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland vorhanden. In jenem Bereich, der lebenspraktisch unmittelbar erfahrbar ist, ging es am steilsten bergauf."

"Doch auch dieser in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik so erfolgreiche Stabilitätsfaktor der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung hat seine prekäre Seite, die sich in der kleinen Wirtschaftsflaute Mitte der sechziger Jahre, die aber allgemein als Rezession empfunden wurde, erstmals andeutete und die während der Wirtschaftskrise der siebziger Jahre voll zu Buche schlug. Sobald es nämlich mit der Wachstumsdynamik wirtschaftlichen Wohlstands ein Ende hat, sobald keine weiteren Zuwächse mehr zu verteilen sind, sobald nicht mehr alle Forderungen nach staatlichen Leistungen mit einem lässigen Griff in die öffentlichen Kassen erfüllt werden können und sogar Besitzstände in Frage gestellt werden müssen, sind die Grenzen der Belastbarkeit eines Staatsbewusstseins, das vornehmlich auf wirtschaftlicher Prosperität, staatlicher Vor- und Fürsorgeleistungen beruht, schnell erreicht.

Die Individualisierung und Ausdifferenzierung von Lebensstilen in unserer Gesellschaft hat dieses Dilemma noch verschärft. Sie haben zu einer Behauptung verstärkter Freiheitsansprüche und vergrößerter Freiheitsräume des Individuums geführt, die nur durch die Umhegung eines staatlich garantierten Sozialsystems mit der Folge einer beträchtlichen Minimierung individueller Lebensrisiken gedeihen konnten. Doch damit wuchs gleichzeitig ein sozialpolitisches Besitzstandsdenken heran, das die schlichten Existenzgrundlagen des Sozialsystems wie etwa die Prinzipien der Finanzierbarkeit und der Eigenverantwortlichkeit der Lebensführung weitgehend vergessen ließ.



Dieser Verdrängungssachverhalt ist plausibel erklärbar: In einer Zeit, in der existentielle Not als Lebenserfahrung kaum noch bekannt ist, liegt es nahe, die Kulturleistung des Sozialstaates als Naturgegebenheit mitzuverstehen. Der Sozialstaat wird nicht mehr in Beziehung zu moralischen Vorstellungen und Leitbildern gesehen; die Einsicht in die Bedingungen und Voraussetzungen des Freiheit und Wohlfahrt gewährenden Staates kommt abhanden. So ist es wohl kein Zufall, dass die ersten Modewellen der Politik- und Staatsverdrossenheit Mitte der siebziger Jahre einsetzten, als vorläufige Grenzen des Wachstums erreicht waren. Als der Staat die Bürger auf die Grenzen seiner Belastbarkeit hinweisen musste, war das wegen seiner sozialen Leistungsfähigkeit soeben noch von seinen Bürgern als ,unser Staat' gefeierte Gemeinwesen ersten Angriffen und Distanzierungen ausgesetzt..." (Schäuble 1994: 104f).

Mit dieser zunächst richtigen Analyse suggeriert er, selbst über das nötige und v.a. richtige Bewusstsein zu verfügen, um die verfassungsrechtlichen Prinzipien interpretieren zu dürfen. Wenn er sich jedoch zum Zeitpunkt einbrechender Zuwächse über die Zukunft des Sozialstaates äußert, wird deutlich, dass es gerade ihm selbst an Bewusstsein fehlt und seine Haltung mit verfassungsrechtlichen Grundprinzipien kaum noch in Einklang zu bringen ist:

Für die ,Oberschicht' ist heute der ,Schleier des Nichtwissens' gelüftet; sie hat bisher überproportional von den Wohlstandsgewinnen profitiert, sie tut es heute und sie kann sich sicher sein, dass sie es auch in Zukunft tun wird. Während sie deshalb glaubt, der Sozialstaat hätte seine Bedeutung verloren, bleibt die ,Mittelschicht' unentschlossen, sieht sie doch einen neuen ,Schleier des Nichtwissens' aufziehen. Einerseits glauben sie, sich retten zu können, indem sie sich aggressiv gegenüber benachteiligten Menschen und deren Sozialansprüche abgrenzt; andererseits muss sie selber Angst haben, sozial abzusteigen und dann ungeschützt zu sein.Barbara Ehrenreich (1994:21f).<ref>Vgl. auch Ausführungen von Nils Christie zum ,nützlichen Feind' im Kapitel Gruppenarbeit.</ref> hat eindrucksvoll dargelegt, wie sich die (nordamerikanische) ,Mittelschicht' nach ,unten' abgrenzt:

"Wie jede Klasse, die nicht in Geld schwimmt, lebt sie in ständiger Angst, vor dem Schicksalsschlag, der zu gesellschaftlichem Absturz führen könnte. (Egal) ob die Mittelklasse hinunterschaut in die Welt der Entbehrungen oder hinauf ins Reich des Überflusses, die Angst vor dem Absturz verlässt sie nie."

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise übersprang in der Bundesrepublik die Zahl der Arbeitslosen erstmals nach 20 Jahren wieder die Schwelle von einer Millionen. In der irrigen Hoffnung, der Wirtschaftswachstum würde nie enden, wurden bis zur Krise 1973-75 weder ein wirtschaftspolitisches Kriseninstrumentarium entwickelt noch finanzielle Rücklagen gebildet. Der Streit zwischen einer keynsianischen Nachfragepolitik und einer monetaristischen Angebotspolitik wurde nicht entschieden und keine Variante konsequent umgesetzt. Man setzte v.a. auf die Hoffnung, die Krise würde sich irgendwie von allein lösen und vermeidet sowohl eine ,Umverteilung von ,oben' nach ,unten' als auch eine andersrum.



Aus dem Dilemma, ohne Rücklagen trotzdem die Integration keiner gesellschaftlichen Teilgruppe wirklich gefährden zu wollen, wurden mittels Kreditfinanzierung einzelne Investitionen zur Stimulation der Nachfrage getätigt, finanzielle Lücken der sozialpolitischen Regulation gestopft und ansonsten sich darauf konzentriert, die Hoffnung auf Vollbeschäftigung am Leben zu halten.Während Integration über Konsum mangels materieller Zuwächse bei relativ benachteiligten Menschen an Bedeutung verliert, wird unter der Kanzlerschaft Helmut Schmidts erstmals versucht, kostenneutral Integration und Zusammenhalt über die Mobilisierung von Ängsten herzustellen. Besondere Bedeutung erhielten dabei der Terrorismus der RAF, sowie das vermeintlich expansiven Interesse der Sowjetunion.

Zwar stabilisierten sich im Anschluss an die erste Ölkrise die wirtschaftlichen Wachstumsraten; sie koppelten sich jedoch zunehmend von Arbeitsmarkt und Erwerbseinkommen ab. Wegen der weiter auf hohem Niveau stagnierenden Zahl der Arbeitslosen spricht man deshalb von ,jobless growth': Seither profitieren vom wirtschaftlichen Wachstum allein die schon übervorteilten Teile der Gesellschaft, während die bestehenden Belegschaften der Unternehmen die Produktionszuwächse ohne Aufstockungen bewältigen müssen. Bezogen auf das Einkommen beginnt nun der bis heute andauernden Prozess der sozialen Spaltung; zwar führt das Wirtschaftswachstum auch heute noch kontinuierlich zu durchschnittlichen Einkommens- und Vermögenssteigerungen, dieser Durchschnitt ist aber zunehmend ungleich verteilt. Dieser Zusammenhang wird dann verständlich, wenn man bedenkt, dass die wirtschaftspolitische Unentschlossenheit Anfang der 80er Jahre eindeutig zu Gunsten der Angebotspolitik überwunden wurde. Da die Entscheidung gegen die Nachfragepolitik bis heute von großer Bedeutung ist möchte ich an dieser Stelle die zentralen Unterschiede dieser Wirtschaftskonzepte ausführen: Sowohl Angebotspolitik, als auch Nachfragepolitik zielen darauf ab, mittels staatlicher Intervention die Konjunktur zu stimulieren, also Wirtschaftswachstum zu sichern. Grob vereinfacht ist die eine Variante eher arbeitgeber- und die andere arbeitnehmerfreundlich:

Die Nachfragepolitik

stellt den Konsumenten in den Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Intervention. Verfügt dieser über mehr Geld, wird er mehr konsumieren, da die Wirtschaft dann mehr absetzen kann, wird sie mehr und billiger produzieren und Arbeitsplätze schaffen. Durch die Löhne der Neueinstellungen erhöht sich erneut die Nachfrage und die wirtschaftliche Aufwärtsdynamik ist gesichert, so die Theorie. In der Praxis entstehen einige Probleme:

Die Angebotspolitik

stellt die Produzenten, also die Unternehmen und Unternehmer in den Mittelpunkt der Intervention. Wenn Unternehmer und Unternehmen steuerlich entlastet, ihre Sozialversicherungsanteile reduziert oder sie aus dem öffentlichen Haushalt subventioniert würden, dann würden sie in ihre Unternehmen investieren, könnten billiger produzieren und verkaufen und ermöglichen so dem Konsumenten, für sein Geld mehr zu konsumieren. Die Produktion wird erhöht, Menschen erhalten wieder Arbeit und konsumieren.die Aufwärtsdynamik ist gesichert, so die Theorie und so die Interpretation welche der Arbeitgeberverband Gesamtmetall im folgenden BSP:

BREMSEN Hamburger Morgenpost 27.01.1994

Die angebotspolitische Interpretation zeigt sich in der Praxis regelmäßig in Kampagnen gegen Lohnerhöhungen, Sozialabgaben, Kündigungsschutz.Die Entlastung der Unternehmen zu Lasten der arbeitenden und arbeitssuchenden Bevölkerung wird regelhaft mit einem konstruierten Gemeinnutzen begründet, der in gleicher Regelmäßigkeit aber ausbleibt. In der Praxis entstehen auch hier Probleme:

Seit gut zehn Jahren hat sich der Begriff der ,Globalisierung' als Begründung etabliert, die Entlastung von Unternehmen und Unternehmer zu rechtfertigen. Da die Unternehmen ihren Produktionsstandort frei wählen könnten; erpressen sie mit der Androhung ,auszuwandern' finanzielle Zugeständnisse. Wenn sich diese Politik versucht, mit einem Gemeinnutzen zu rechtfertigen, dann geht es allein um den Versuch, von dem eigentlichen Zwecke, der Gewinnmaximierung, abzulenken. Beide Wirtschaftkonzepte -sowohl die Angebots- als auch die Nachfragepolitik- könnten erfolgreich sein, wenn die Nachfrage der entlasteten Konsumenten wirklich innerhalb der eigenen Volkswirtschaft gestillt wird oder die Entlastung der Unternehmen tatsächlich zu Investitionen und Preissenkungen führt. Wegen des globalisierten Kontextes, in den die nationale Wirtschaftspolitik eingebunden ist, scheinen beide wirtschaftspolitischen Konzepte in ihrer Wirksamkeit solange begrenzt, wie nicht auf höherer Ebene soziale wie ökologische Standards festgelegt sind. Zunächst wäre damit die EU aufgefordert, den sozialen wie ökologisch ruinösen Wettbewerb ihrer Mitglieder zu unterbinden.

Da die Entlastungen der einen oder anderen Seite nicht mehr über Kredite finanziert werden können, müssen sie jeweils von der ,Gegenseite' refinanziert werden; auf Seiten der Arbeitnehmer und Erwerbslosen ist dies jedoch nur auf Kosten des Konsums möglich...

Die zweite Ölkrise 1982 und die ,geistig-moralische Wende' Helmut Kohls:

Zeitgleich mit der zweiten großen Öl- und Wirtschaftskrise der BRD kann die neue Regierungskoalition von CDU/CSU/FDP ihre Vorstellungen von Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik umsetzen. Die neue Strategie, gesellschaftliche Integration trotz der nun schnell auf zwei Millionen ansteigenden Zahl der Arbeitslosen herzustellen, basiert auf zwei Elementen;

1. die mit Nachdruck im Wahlkampf versprochene ,geistig-moralischen Wende' und

2. die konsequente Anwendung angebotsorientierter Wirtschaftspolitik.

Obwohl diese Doppelstrategie unter Helmut Kohl 17 Jahre den Beweis ihres Erfolges schuldig geblieben ist, wird sie heute auch unter der Kanzlerschaft Gerhard Schröders unverändert fortgesetzt. Obwohl diese beiden zentralen Elemente, in einem engen, programmatischen Zusammenhang stehen, will ich die Bedeutung der ,geistig-moralischen Wende' von der angebotspolitischen Komponente getrennt behandeln.

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik:

Trotz -oder besser- wegen der bis heute dominierenden Angebotspolitik ist die Gesellschaft sozial wie räumlich tief gespalten. Massive Reichtumszuwächse auf der einen Seite treiben auf der anderen immer mehr Menschen, immer schneller und tiefer in die Armut. Trotz zahlreicher Kosmetik der Statistik, steigt die offizielle Zahl der arbeitslosen Menschen Anfang 2003 auf über 4,5 Mio. während die wirkliche Zahl der arbeitssuchenden Menschen auf bis zu 7 Mio. geschätzt wird.<ref>Wie im Bereich der Sozialhilfe wird auch im Bereich der Arbeitslosenunterstützung von einer Dunkelziffer von etwa 50% ausgegangen. Dies liegt an der Unwissenheit über soziale Rechtsansprüche; an Schamgefühlen, diese einzulösen; an Ängsten, Dritte (Freunde, Mitbewohner, Verwandte) zu belasten oder daran, als sog. ,stille Reserve' zwar Arbeit zu suchen, aber nicht beim Arbeitsamt gemeldet zu sein, weil man objektiv keine Ansprüche hat. "Die tatsächliche Erwerbslosigkeit wäre demnach 60 - 70% höher als die offizielle Arbeitslosenquote" (Bonß&Ludwig-Mayerhofer 2000:123f:). </ref> Anhand einiger Quellen möchte ich einen oberflächlichen Eindruck über die Folgen der Angebotspolitik geben:

Umverteilung über Einkommen:

"Geld häuft sich auf Gewinnkonten und verringert sich auf Lohn und Gehaltskonten. Die Nettolohn- und Gehaltssumme -real je Arbeitnehmer (Kaufkraft)- lag 1994 um 1,9% über dem Stand von 1980 (...) Dagegen waren die realen Nettogewinne 1994 um 95% höher als 1980" (Schlemmer 1996: 193). Ohne Berücksichtigung der Inflation sind von 1991 bis 2001 die Vorstandsbezüge um 90,3% gestiegen; hingegen die Nettolöhne nur um 20%.<ref>In: ,Der Spiegel' 18/02.</ref>

Als Gründe für diese Entwicklung lassen sich einige exemplarisch herausgreifen:

Rudolf Hickel 1998: 111) äußert sich zu diesem Aspekt wie folgt:

"Die Umverteilung der Einkommen und Rechte zugunsten der Profitwirtschaft ist also weit vorangeschritten. Deshalb stellt sich die Frage: Sind diese harten Vorleistungen -wie immer wieder durch die Protagonisten versprochen- mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze belohnt worden? Die Antwort ist erschütternd eindeutig: Zwischen der verbesserten Entwicklung der Gewinnrelation einerseits und den Ausrüstungsinvestitionen sowie der Beschäftigung andererseits zeigt sich zwischen 1991 und 1997 ein negativer Zusammenhang. Trotz einer Verbesserung der Gewinnsituation fand kein Investitionsanstieg, dafür aber eine Abnahme der Beschäftigung statt: Die bereinigte Lohnquote ging zurück, und die Verteilung wurde zugunsten der Gewinnquote verbessert. (...) Darüber hinaus entwickelte sich die Profitrate günstiger als der langfristige Kapitalmarktzins.Von daher waren die Bedingungen für die Realkapitalbildung seit 1993 günstiger denn je. Nach dem bisherigen konjunkturellen Muster hätten die Investitionen zügig anziehen und einen starken Aufschwung auslösen müssen. Nach der letzten Rezession wird jedoch vergeblich auf diesen Investitionsschub im Zuge der üppigen Angebotsbedingungen gewartet. Seither ist der Anteil der realen Ausrüstungsinvestitionen am realen Bruttoinlandsprodukt mit 8,5 Prozent praktisch unverändert geblieben. Der sprühende Funken günstiger Gewinnentwicklung hat die Sachinvestitionen nicht erreicht. Das Wenige, was investiert wurde, ging vorrangig in Rationalisierungen des Produktionsprozesses. Insgesamt ist die Zahl der Erwerbstätigen gesunken..."



Der ehemalige Hamburger Bürgermeister Voscherau konkretisiert diese Ausführungen (1994: 257):

"Einem Arbeiterhaushalt mit durchschnittlich 2,75 Haushaltsmitgliedern standen 1992 monatlich 4.242 DM zur Verfügung, einem Selbständigenhaushalt -ohne Landwirte- mit durchschnittlich 2,72 Mitgliedern dagegen 12.083 DM. Während das Realeinkommen der Selbständigenhaushalte seit 1980 um 32,3% gestiegen ist, hat sich das der Angestelltenhaushalte im gleichen Zeitraum (nur) um 7,7% und das der Arbeiterhaushalte (nur) um 4,2% erhöht. Zwischen 1980 und 1990 hat sich das Geldvermögen der privaten Haushalte verdoppelt, allein 1992 wurde es um 250 Milliarden DM auf einen Gesamtbestand von 3,60 Billionen DM aufgestockt, Von ihm entfallen jedoch nur 2% auf die untere Hälfte der Haushalte. Dagegen verfügen 1% der Haushalte allein über 14 Prozent des gesamten Nettogeldvermögensbestandes. Das Vermögenseinkommen der Selbständigenhaushalte lag 1992 um das 3,48fache über dem der Angestelltenhaushalte und um das 6,12fache über dem der Arbeiterhaushalte. Der wachsende Reichtum ist in der Bundesrepublik also nicht nur höchst ungleich verteilt, sondern die einseitige Verteilungsentwicklung der letzten zehn Jahre hat eine wachsende Gruppe der Bevölkerung in eine prekäre soziale Situation bis hin zu neuer Armut, Wohnungslosigkeit und Not gebracht. Viele Menschen fürchten sozialen Abstieg bis hin zur Verarmung. Die Abstiegsangst zerstört soziale Orientierungen und Bindungen. Sie vergiftet schleichend das gesellschaftliche Klima."

Voscherau macht deutlich, welch geringen Aussagewert gesamtgesellschaftliche Durchschnittswerte im Bezug auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen haben. Welche Bedeutung die Streuung um die jeweiligen Durchschnittswerte hat, um die Dimension von Reichtum und Einkommen zu erfassen, führen die Zahlen des STABU (2002: 115) zum Einkommen im Jahre 2000 eindrucksvoll vor Augen: Der Durchschnittswert des monatlichen Haushalts- Nettoeinkommens von ?2.600 kann allein überraschen, wenn man sein eigenes Haushaltseinkommen vergleichen will, eine sozialpolitische Bedeutung erhält der Wert jedoch erst, wenn man weiß dass der Unternehmerhaushalt mit durchschnittlich ?7.375 monatlich drei mal so viel verdient wie ein Arbeiterhaushalt mit ?2.400 und 6,7 mal so viel wie ein Sozialhilfehaushalt mit ?1.100. Der sozialpolitische Skandal wir erst richtig sichtbar, wenn man feststellt, dass der Sozialhilfehaushalt nur etwa 42% von dem Gesamtdurchschnitt verdient: Nach der einschlägigen EU-Armutsdefinition gilt eine Person oder ein Haushalt als arm, wenn er über weniger als 50% des durchschnittlichen Einkommens verdient. Dies bedeutet, dass Sozialhilfe ihrer Aufgabe der Armutsbekämpfung nicht mehr gerecht wird, sondern ihr Klientel trotz Unterstützung (vorsätzlich) weiter in Armut leben lässt. Die Interpretation im Falle des BSHG-Bezuges von ,bekämpfter Armut zu sprechen lässt sich somit als Propaganda entlarven.

"(Es) hat sich die Zahl der Einkommenssteuerpflichtigen mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen über 100.000 DM zwischen 1983 und 1992 mehr als vervierfacht und die Anzahl der Einkommensmillionäre, die 1983 noch ziemlich genau jene oft zitierten ,oberen 10.000' umfassten, hat sich im gleichen Zeitraum um das zweieinhalbfache auf rund 25.000 erhöht. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bestätigt diese Entwicklung: die Zahl der einkommensreichsten Haushalte hat sich seit.1986 verdoppelt, 1993 gehörten fast 1,8 Mio. Haushalte zu der Gruppe von Haushalten mit einem verfügbaren Monatseinkommen von 10.000 bis 35.000 DM" (Fuchs 2000: 396).<ref>Vgl.: ,Der Spiegel' 28/2002: 2000 verdiente der durchschnittliche Manager in den USA 531 mal soviel wie der durchschnittliche Arbeitnehmer, 1990 seien es ,nur' das 85fache gewesen.</ref>

"Betrachtet man die Einkommens- und Vermögensentwicklung von Haushalten nach beruflichem Status, sind die Haushalte von Selbständigen eindeutige Gewinner. (...) Die Haushalte von Selbständigen konnten ihren Vorsprung gegenüber allen anderen Haushalten über die Zeit ausbauen, das gilt für ihr Bruttoeinkommen, insbesondere aber für ihre Einkommenssituation nach der staatlichen Umverteilung (Nettolohn): Selbständige verfügten 1980 über gut das Doppelte des durchschnittlichen Nettoeinkommens; im Jahre 1997 lag ihr Anteil bei dem 3,7-fachen des Durchschnittseinkommens. (...) Die Haushalte von Arbeitnehmern haben insgesamt verloren, ihr Anteil ist von rund 108% des durchschnittlichen Nettoeinkommens im Jahre 1980 auf rund 97% im Jahre 1997 gesunken, wobei die Gruppe der Arbeiter mit 86% des Durchschnittseinkommens besonders weit abgeschlagen ist. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in dem rückläufigen Bruttoeinkommen bei gleichzeitiger Mehrbelastung durch den Staat. Damit erfolgt die Finanzierung des Sozialsystems relativ und absolut zu immer größeren Teilen über die Arbeitnehmereinkommen" (Fuchs 2000: 400f).

Umverteilung über Vermögen und Vermögenseinkommen:

"Gravierender als die mit der Vermögensverteilung verbundene Verteilungs- und Belastungsungerechtigkeit sind deren ökonomische Folgen, da der größte Teil der Einkommenszuwächse in Form von Geldvermögen mit hohen Renditen auf den Geldmärkten angelegt wird. Dies führt zu einer Gewinnspirale, die letztlich für das schnellere Wachstum des privaten Geldvermögens im Vergleich zum Wachstum der gesamten Wirtschaftsleistung in der Bundesrepublik verantwortlich ist. (Es) zeigt (sich), dass das private Geldvermögen zwischen 1980 und 1996 um 245% gewachsen ist, während das Bruttoinlandsprodukt lediglich um 140% stieg. In jedem Jahr, in dem der Zuwachs der Geldvermögen den Zuwachs der Wirtschaftsleistung übersteigt, wird der Bestand zugunsten derer mit Geldvermögen umverteilt. Hinter der überproportionalen Steigerung der Vermögenseinkommen verbirgt sich neben der zunehmenden Umverteilung von unten nach oben auch ein zunehmender Druck auf die Realwirtschaft. So finden, erstens, die gewachsenen Geldmengen auf den deregulierten Kapitalmärkten Anlagemöglichkeiten mit Renditen, die teilweise gewinnbringender sind als Investitionen in Realkapital.

So wurden etwa über die 30 im Deutschen Aktienindex zusammengefassten Spitzenwerte der Deutschen Wirtschaft im Jahr 1997 Wertsteigerungen von 47,1% realisiert, erfolgreiche Aktienfonds erreichten sogar weit höhere Renditen. Die Zuwächse dieser Finanzgeschäfte werden aus den Wertzuwächsen des realen Produktivitätsfortschritts gespeist, vorbei an Investitionen, vorbei an Löhnen- oder Gehältern und vorbei an der Finanzierung des Sozialstaats. Dies zeigt sich in sinkenden Einnahmen der Sozial- und Staatskassen sowie in einer enormen Belastung der verbleibenden Beitragszahler. (...) Weiterhin ist, auch bei Produktionsunternehmen die Tendenz ersichtlich, nicht mehr in die Produktion zu reinvestieren, sondern Gewinne zu akkumulieren. Die Nettoinvestitionen der deutschen Produktionsunternehmen sind 1996 gegenüber 1980 nur um 20,8% gestiegen, während die Bildung von Geldvermögen in den Unternehmen um 325% stieg. (...) Unternehmen, die auf eine langfristige Unternehmenspolitik setzen, ...werden an der Börse durch Kursverfall sanktioniert.

Auf der anderen Seite wird beispielsweise die Ankündigung des Pharmakonzerns Höchst, 600 Stellen in der Forschung zu streichen und seine Forschungsanstrengungen insgesamt erheblich zu reduzieren, mit einem Kurssprung belohnt. (...) Die Verteilung der 5,3 Billionen DM (1997) privaten Geldvermögens lässt sich nur schwer beschreiben.Eine solche Schätzung.für das Jahr 1993 vom DIW durchgeführt bezieht sich auf ein von der Bundesbank ermitteltes Nettogeldvermögen von 3.160 Mrd. DM. (...) Die 1,3% reichsten Haushalte -das sind etwa 450.000 Haushalte- verfügen über 23,7% des gesamten Geldvermögens, die ,oberen' 8% der Haushalte besitzen über die Hälfte, 52% des Vermögens. Dagegen teilen sich die ,unteren' 80% der Haushalte (28 Millionen) gerade ein Viertel des Geldvermögens" (Fuchs 2000: 398, 401f).

Die Vermögensverteilung rund um den Durchschnitt lässt sich aus dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (2001I: XVIIf)herauslesen: Wenn man sieht, dass jeder Bundesbürger 1998 über 223.100 DM Vermögen verfügt gegenüber 209.700 DM 1993 (2001II: 100) merkt man schnell wie gering der Aussagewert ist, wenn man selbst und auch alle Freunde und Bekannte nicht über so viel Geld verfügen und man überlegt: Wo ist denn das Vermögen?

"Das Privatvermögen, das verzinsliche Geldvermögen und Immobilien.erreichte 1998 in Deutschland laut Einkommens- und Verbrauchsstichprobe rd. 8,2 Billionen DM. Dabei war die Vermögenssituation in den alten und den neuen Ländern unterschiedlich. Das durchschnittliche Privatvermögen je westdeutschem Haushalt belief sich auf etwa 254.000 DM. In den neuen Ländern wurden mit rd. 88.000 DM.erreicht. Hinter diesen Durchschnittsbeträgen stand eine erhebliche Ungleichverteilung der Vermögen. So waren 1998 im früheren Bundesgebiet rd. 42% des Privatvermögens im Besitz der vermögendsten 10% der Haushalte, während den unteren 50% der Haushalte nur 4,5% des Vermögens gehörten. Das oberste Zehntel besaß im Durchschnitt ein Vermögen von rd. 1,1 Mio. DM. Für die untere Hälfte ergab sich dagegen ein durchschnittliches Vermögen von 22.000 DM. In den neuen Ländern war die Ungleichheit der Vermögensverteilung noch größer. Die reichsten 10% der Haushalte besaßen im Durchschnitt rd. 422.000 DM und damit etwa 48% des gesamten Vermögens. Die untere Hälfte der Haushalte verfügte dagegen ebenso wie im früheren Bundesgebiet lediglich über 4,5% des gesamten Vermögens, bei einem durchschnittlichen Vermögen pro Haushalt von 8.000 DM."

Umverteilung über Vermögenseinkommen:

Den Endpunkt ökonomischer Polarisierung bildet das im Vergleich zu Erwerbseinkommen sprunghaft steigende Vermögenseinkommen; besonders hinter diesen Vermögenseinkünften verbergen sich Steuerflucht, -hinterziehung und -betrug. Es ist eine Form von Einkommen der keine direkte Gegenleistung gegenüber steht, da das Geldvermögen ,selber arbeitet'; wohlgemerkt es ,arbeitet' und nicht sein Besitzer.

"Steigendes Geldvermögen führt zu steigenden Einkommen aus Vermögen. Vergleicht man die Entwicklung der Vermögenseinkommen mit der Entwicklung der Nettolohn- und Gehaltssumme, ergibt sich für die achtziger Jahre ein Anteil von 15%, 1996 entsprachen die Vermögenseinkommen bereits 22,3% aller Nettoeinkommen der abhängig Beschäftigten. Einkommen aus Vermögen ist die Einkommensart mit dem höchsten Zuwachs seit 1980. Allein im Jahre 1996 wurden über 222 Mrd. DM als Einkommen aus Vermögen deklariert" (Fuchs 2000: 399). Im Durchschnitt betrug die Höhe der Vermögenseinkünfte je Haushalt 1996 5.800 DM.<ref>Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in: ,TAZ' vom 31.7.97.</ref>

Soziale Ungerechtigkeit in der Praxis:

Da es unmöglich erscheint, die unübersehbare Menge von BSP der Übervorteilung oder Benachteiligung einzelner gesellschaftlicher Teilgruppe zu dokumentieren, sollen beispielhaft zwei Quellen der Zusammenfassung der praktischen Auswirkungen sozialer Ungerechtigkeit dienen. Zunächst führt der DGB aus, warum der Staat finanziell in Not ist und zu wessen Lasten wie versucht wird, die Krise der öffentlichen Finanzen zu beheben; der ,Leitfaden der Sozialhilfe' -herausgegeben vom Fachhochschulverlag der Fachhochschule Frankfurt- verdeutlicht dann die Verschärfung der sozialen Spaltung in der Bundesrepublik.

"Sie wollen wissen warum der Staat so arm ist?<ref>GEW/DGB</ref>

Dezember 1992: Registrierte Arbeitslosigkeit = 3,126 Mio.

1993

Dezember 1993: Registrierte Arbeitslosigkeit = 3,689 Mio.

1994

Dezember 1994: Registrierte Arbeitslosigkeit = 3,560 Mio.

1995

Dezember 1995: Registrierte Arbeitslosigkeit = 3,790 Mio.

1996

Dezember 1996: Registrierte Arbeitslosigkeit = 4,6 Mio.

1997

(...)

Von der AG TuWas (1999) wird die Polarisierung in arm und reich ähnlich anklagend problematisiert:

"Die Kassen sind leer - wer hat sie geleert?

Die öffentlichen Kassen sind leer, heißt es, wenn wieder mal bei Arbeitslosen und Armen gestrichen wird. Tatsächlich: Konzerne, Banken und Politiker haben sie für Profitzwecke geleert und präsentieren uns unschuldig das Ergebnis, als ob sie nichts damit zu tun hätten.

1998: Über 90 Mrd. DM Profitsubventionen für Unternehmen

1998 zahlten die Unternehmen nicht viel mehr Gewinnsteuern wie 1980! Lohn- und Mehrwertsteuern dagegen explodierten in dieser Zeit. Hätten die drei Gewinnsteuern (Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer und veranlagte Einkommenssteuer) 1998 denselben Anteil am Gesamtsteueraufkommen wie 1980 gehabt, nämlich 23,6% statt lumpige 11,7%, wären über 90 Mrd. DM mehr in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden geflossen. Auch für Frankfurt gilt: ,Hätte die Gewerbesteuer mit den Unternehmensgewinnen Schritt gehalten, wäre der Frankfurter Haushalt heute ausgeglichen', schreibt der Kämmerer (Dezernat Finanzen, Stichwort Haushalt, Frankfurt 1996:5). Das gilt für die kommunalen Haushalte insgesamt. Wenn der Gewinnsteueranteil so gestiegen wäre wie der Mehrwertsteueranteil (plus 20%) dann gäbe es noch weniger Probleme.

Die privaten Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen stiegen vom Krisenjahr 1993 bis 1998 um rd. 280 Mrd. DM oder um 45%. Netto stiegen sie noch stärker, nämlich um über 300 Mrd. DM oder um rd. 60%. Auf den Zuwachs der Gewinne wurden also überhaupt keine Steuern mehr bezahlt. Die Steuern auf Unternehmensgewinne und Vermögen sind seit 1993 von 16,6% auf 8,5% gefallen (Statistisches Taschenbuch 1998:1:10). Offensichtlich sind Steuermittel in großem Maßstab privatisiert worden. Bedeutende Teile der Gewinne, die früher noch als Gewinnsteuer an den Staat abgeführt worden sind werden jetzt als indirekte Profitratensubventionen den Unternehmen belassen. Was an Gewinnsteuern gezahlt wird, fließt sowieso über Investitionszuschüsse und Subventionen (insgesamt über 130 Mrd. DM) bzw. über Zinsen für Staatsschulden (etwa 100 Mrd. DM) wieder an die Unternehmen zurück. Die reichen Prediger der Eigenverantwortung bekommen wesentlich mehr vom Staat, als sie ihm geben. Und auch das, was sie geben, haben die arbeitenden Menschen erarbeitet, nicht sie. Eine Umverteilung von oben nach unten gibt es nicht.

,Sozialhilfe' für das Kapital ruiniert die Staatsfinanzen, nicht Sozialhilfe für Arbeitslose!

Die massive Subventionierung des Kapitals nützt der Allgemeinheit wenig.

Die ,Sozialhilfe' für das Kapital dient vor allem dazu, die Renditen anzuheben, die mit jeder Investition unter Druck geraten. Und sie stockt das für Finanzanlagen verfügbare Kapital auf. Dort ist über Spekulation z.Zt. mehr zu holen. Von 1980 bis 1998 bildeten die Produktionsunternehmen mit Hilfe der Staatssubventionen 2.040 Mrd. DM an Geldvermögen neu, die Nettoinvestitionen (Bruttoinvestitionen minus Abschreibungen) nahmen dagegen nur um 1.400 Mrd. DM zu. Daraus folgt: Die ,Sozialhilfe' für das Kapital ruiniert die Staatsfinanzen. Die Sozialhilfe für Arbeitslose dagegen betrug 1997 gerade mal 6-7 Mrd. DM ,Hilfe zum Lebensunterhalt'; insgesamt 17,6 Mrd. DM netto. Die Konzerne erklären die Sozialhilfe zum Sündenbock. ,Als erstes muss bei der Sozialhilfe gekürzt werden' so Kettensägenfabrikant Stihl, Präsident des DIHT (FR 22.06.1994), Besitzer eines Privatvermögens von 600 Mio. DM. Sie wollen bei Arbeitslosen und Armen streichen, um noch mehr Kapital für Firmenübernahmen und Finanzspekulation ansammeln zu können. ,Sozialhilfe' für das Kapital kürzen! Sozialhilfe für Arbeitslose und Arme erhöhen!

1998: wahrscheinlich 60 Mrd. DM durch Korruption, Kartelle und sinnlose Aufträge verloren



Privatunternehmen greifen Steuergelder z.B. ab, indem sie überhöhte Preise für staatliche Aufträge absprechen. Im Gegensatz zum ,Sozialhilfebetrug' ist das nicht einmal strafbar. Bei 80% aller Baumaßnahmen ist Korruption im Spiel. ,Die.durchgesetzten Preise liegen durchschnittlich um 30% über den Marktpreisen.' (Jürgen Roth, Der Sumpf, Korruption in Deutschland, München 1995:106, 124). Die Ausgaben des Staates für Sachinvestitionen und laufenden Sachaufwand beliefen sich 1998 auf 247 Mrd. DM -darunter 86,5 Mrd. für Investitionen (Monatsberichte Bundesbank Juni 1999:52). Rechnet man, dass von allen staatlichen Sachausgaben nur 30% auf Kartellpreise, Korruption, blödsinnige Aufträge und künstlich überdimensionierte Projekte entfallen, dann könnten 60 Mrd. DM eingespart werden. Statt auf den ,Kapitalmissbrauch' konzentrieren die Medienkonzerne die Aufmerksamkeit auf den ,Sozialhilfemissbrauch'. Die Möglichkeiten für Arme und Arbeitslose, sich zu ,bereichern', sind aber im Vergleich zu denen des Kapital ausgesprochen ärmlich. Korruption und Kartelle bekämpfen statt Arme und Arbeitslose!

1997: 50 Mrd. DM Steuerausfälle allein durch Steuerflucht

1.000 Milliarden überschüssiges Kapital aus Deutschland liegen faul in ausländischen Steueroasen herum. Die Einkommen, die dem Finanzamt nicht angegeben werden, ergeben Steuerausfälle von mindestens 50 Mrd. DM (Harald, Schumann, Die Globalisierungsfalle, Reinbek 1996:94). Die staatlichen Kontrollen sind dürftig. Im Gegenteil: Zur Belohnung für Steuerhinterziehung werden die Steuern für die Reichen gesenkt, weil sie wirklich bedürftig sind. Auch Arbeitslose und Arme beschaffen sich Geld und geben es nicht an. Sie wollen einfach nur bis zum Monatsende auskommen und die staatlichen Kürzungen ausgleichen. Das wird als Beweis dafür betrachtet, dass viele nicht wirklich bedürftig sind. Unter diesem Vorwand wird die Sozialhilfe für alle noch mehr gekürzt. ,Kapitalmissbrauch' bekämpfen statt Arbeitslose und Arme!

1998: 134 Mrd. DM Zinsen an Gläubiger verschenkt

Um die Haushaltslöcher zu stopfen, die durch Profitratensubventionen entstehen, nahmen Bund, Länder und Gemeinden Kredite auf. Die Reichen konnten ihre Steuerersparnisse dem Staat wieder leihen. 134 Mrd. DM Zinsen mussten 1998 an sie gezahlt werden. Gläubiger und Politiker sorgen dafür, dass zuerst die Gläubiger aus den Staatskassen bedient werden. Bei Zinsen gibt es weder Kürzungen noch Nullrunden. Sozialhilfekürzungen dienen dazu, den täglichen Zinsbedarf der Gläubiger zu decken. 1998 lag der durchschnittliche Zinssatz bei 5,8%. Fürs Nichtstun gibt's mehr ,Lohnerhöhung' als fürs Arbeiten. Zinszahlungsstop statt Sozialhilfekürzungen!

Die Verursacher müssen zahlen!"

Umverteilung über Stadtentwicklungspolitik:

Wie oben schon im Zusammenhang mit sozialräumlicher Polarisierung skizziert, werden in der ,1.Stadt' privatwirtschaftliche Unternehmungen mit öffentlichen Geldern subventioniert, um mit den ,schönen Seiten' anderer Städte international um Touristen, besser situierter Bewohner und Unternehmen zu konkurrieren:

Zwischen den Städten und Kommunen entwickelt sich ein ruinöser Wettbewerb, der ihnen die finanziellen Spielräume nimmt, um die sozialen und stadtplanerischen Grundbedarfe der ansässigen Bevölkerung (Spielplätze, Büchereien, Schwimmbäder, Parks, Kindergärten, Kulturzentren, Jugendclubs...) zu decken,<ref>Die ,Hamburger Morgenpost' berichtet am 27.11.02 von den ersten Spielplätzen, die haushaltsbedingt geschlossen wurden.</ref> während Unternehmen die Subventionen in die Höhe treiben<ref>Im Rahmen des Ausbaues des Airbus-Standortes in Hamburg hat das privatwirtschaftliche Unternehmen selbst weniger als 50% der Investition bezahlen müssen.</ref> und ihren Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Solidargemeinschaft reduzieren. Diese Subventionen begründen die finanziellen Engpässe der Kommunen, die daraus resultierenden Einsparungen v.a. im Sozial-, Gesundheits- und Jugendhilfebereich und nicht zuletzt auch die oben beschriebene Verdrängung finanzschwacher Bewohner in benachteiligende städtische Wohnquartiere. Auf vielerlei Art und Weise wird versucht, besonders die Bauwirtschaft zu stimulieren und die Ansiedlung von Unternehmen zu erreichen oder deren Abwanderung zu verhindern. Es handelt sich dabei um,

Begründet werden die Subvention i.d.R. mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, wobei eine angemessene Verhältnismäßigkeit zwischen Zahl der Arbeitsplätze und Höhe der Subvention regelhaft nicht gewährleistet ist: Die Arbeitsplätze werden vorher nicht vertraglich zugesichert und können daher vorenthalten werden, ohne dass Subventionen zurückgezahlt werden müssen. Selbst wenn die versprochenen Arbeitsplätze entstehen, sind die Subventionen derart hoch, dass sie den Arbeitslosen auch direkt hätten ausgezahlt werden könnten, um ihnen -normal verzinst- lebenslang die Existenz zu sichern.An vier BSP, die bundesweit Aufsehen erregt und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aufgeworfen haben, soll hier erinnert werden:

1. Die Papenburg-Werft in Niedersachsen droht Mitte der 90er Jahre mit Massenentlassungen, der Verlegung ihrer Produktion nach Holland bzw. mit dem Verzicht auf möglichen Neueinstellungen, sollte der Standort nicht staatlich unterstützt werden. Daraufhin wird an der Emsmündung für 350 Mio. DM aus öffentlichen Geldern des Bundes und des Landes ein Sperrwerk gebaut und die Fahrrinne ausgebaggert, damit die Meyer-Werft, 50 km die Ems flussaufwärts, weiter ihre Kreuzfahrtschiffe bauen kann, die sonst nicht genug Wasser unter dem Kiel hätten, um ins Meer geschleppt werden zu können...<ref>In: ,Frankfurter Rundschau' vom 15.11.96.</ref> Einige Jahre später -das Sperrwerk inzwischen eingeweiht- kündigt die Werft die Entlassung von 800 ihrer 2.600 Beschäftigten an, um sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren.<ref>In: ,TAZ' vom 02.04.03; meyerwerft.de vom 09.04.03.</ref> Niedersachsens Ministerpräsident Wulff kündigt daraufhin an, erneut mit öffentlichen Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und der Europäischen Union, bzw. mit Landesbürgschaften und direkter Wirtschaftförderung (Werftenhilfe von Bund und Ländern) dem Standort unter die Arme zu greifen. Kritisch wird er im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk gefragt: "Jahrelang hat Niedersachsen die Werft unterstützt, denken wir nur an die Fahrrinne. Jetzt wird es also Zeit, dafür Gegenleistungen einzufordern?" "Nein, die Unterstützung der Werft war unglaublich zukunftsweisend, auch der Bau des Ems-Sperrwerkes sichert dieser Werft die nächsten Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte..."<ref>In: www.ndrinfo.de vom 09.04.03.</ref>

2. Die EXPO in Hannover sollte zumindest kostenneutral umgesetzt werden und Arbeitsplätze schaffen. Die abschließende Bilanz weist aber ein Defizit von 1,028 Mrd. ? aus, das aus Steuergeldern beglichen wird...<ref>In: ,TAZ' vom 21.5.03.</ref>

3. National konkurrierten fünf Städte um die Olympiabewerbung und geben dafür jeweils zwischen und 4,6 Mio. (Leipzig) und 6,4 Mio. (Hamburg) aus; für die internationale Konkurrenz gegen Paris, Madrid, London und New York wird allein für Leipzig zusätzlich noch einmal 40 Mio. ausgegeben.<ref>In: ,Hamburger Morgenpost' vom 14.04.03.</ref> Die abschließende Bilanz der Hamburger Olympiabewerbung weist im Vergleich zur EXPO ein vergleichsweise geringes Defizit in Höhe von 1,5 Mio. aus. Die Verkündung solcher Ergebnisse fällt im Vergleich zu den ehemals großen Versprechen von Arbeitsplätzen und Wohlstand für alle, i.d.R. recht dünn aus. Lapidar heißt es exemplarisch in einer Randnotiz der ,Bild'<ref>In: ,Bild' vom 18.12.02</ref>.

(Ausschnitt aus Bild)??

4. Der Europäische Flugzeugbauer Airbus kündigt 1996 an, die komplette Endmontage des A380 in Hamburg anzusiedeln und 4.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür erhält der Konzern vom Land Hamburg 1997 die Zusicherung, dass aus öffentlichen Geldern 140ha Gewerbefläche in der Elbe erschlossen und bereitgestellt werden sollen. Begründet mit den Arbeitsplätzen wird die Planung von der Hamburger Landesregierung für gemeinnützig erklärt, werden 1,3 Mrd.? Subventionen gezahlt und wird die Zerstörung eines Naturschutzgebietes genau so genehmigt wie die ungeklärte Einleitung kontaminierter Bauabwässer. Die Endmontage wurde dann doch nach Frankreich verlegt und die Zahl der neu entstehenden Arbeitsplätze unmittelbar nach Baubeginn schon auf 2.000 reduziert. Später heißt es nur noch, es gäbe eine "...Rechtfertigung für eine limitierte Personalaufstockung." Obwohl die Zahl der Neuanstellungen deutlich gesenkt wird<ref>In: ,Der Spiegel' 10/2003.</ref>, müssen keine Subventionen zurückgezahlt werden. Auch in Frankreich muss Airbus letztendlich weniger als 50% seiner Investition selber tragen. Im Wettkampf übernehmen beide Europäischen Städte bzw. Länder den größeren Teil; man kann selbstverständlich davon ausgehen, dass auch der direkte Konkurrent Boeing eben solche Wege findet, sich auf Kosten der Allgemeinheit subventionieren zu lassen. Selbst wenn in Hamburg die 4.000 Arbeitsplätze entstanden wären, hätte jeder einzelne 325.000? gekostet, mit 5% verzinst könnte jedem bis ans Lebensende 1.350 Euro monatlich ausgezahlt werden; der Hamburger Verleger Heinz Bauer errechnet sogar einen Subventionsbetrag von 375.000?.<ref>In: ,Hamburger Abendblatt' vom 8.3.3; ,TAZ' vom 17.07.03.</ref>



Als letzte Möglichkeit, auf Kosten der Allgemeinheit die Privatwirtschaft zu unterstützen sei die Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmensbereiche von Bund, Ländern und Gemeinden zu erwähnen. Die ehemals aus Steuermitteln aufgebaut und dem Allgemeinwohl verpflichteten Unternehmen<ref>Bundesbahn, Bundespost, Flughäfen, öffentliche Energie- und Wasserver- bzw. Müllentsorgung, Nahverkehr, Krankenhäuser, Schwimmbäder, Landesbanken...</ref> werden meist unter Wert verkauft und in gewinnorientierte Unternehmen umgewandelt. Während die Unternehmen 3-fach profitieren, müssen die Nutzer für die Privatisierung quasi doppelt bezahlen:

Nutzer:

Unternehmer:

Bilanz der Angebotspolitik:

Über 20 Jahre hat die Angebotspolitik Zeit gehabt, den versprochenen Allgemeinnutzen zu beweisen. Den Beweis bliebt sie schuldig! Sie hat zu einer tiefen sozialen Spaltung geführt; auf der einen Seite bescherte sie Unternehmen, Aktionären, Vermögenden, sowie Hochverdienenden überproportional bis explosiv steigende Wohlstandszuwächse und auf der anderen Seite einem stetig ansteigenden Teil der Bevölkerung -inkl. der Bezieher von Sozialhilfe!- ein Leben in Armut. Die Versprechungen zunehmender Beschäftigung durch Sozialabbau, Lohnverzicht, Wirtschaftssubvention, sowie Reduzierung von Unternehmenssteuern und -abgaben sind nicht nur wegen der stetig steigenden Zahlen von Arbeitslosen (1993:3Mio.; 1998:4Mio.; 2003:4,5Mio.) als Lüge enttarnt, sondern v.a., weil Aktien- und Unternehmensgewinne auch genau durch gezielten Arbeitsplatzabbau hergestellt werden; der Abbau von Arbeitsplätzen sich quasi als Motor wirtschaftlicher Entwicklung erweist:<ref>In: ,TAZ' vom 2.4.97.</ref> Nachdem

Neben den Unternehmensgewinnen begründen Entlassungen zudem unmittelbar Aktiengewinne, die auf Kosten sich stetig verkleinernden Belegschaften gesichert werden müssen. Obwohl bsp. Daimler&Chrysler seinen Gewinn von 2001 auf 2002 von 1,3Mrd.? auf 5,8Mrd.? fast vervierfacht hat<ref>In: ,Bild' vom 21.02.03.</ref>, vermitteln die Arbeitgeberverbände weiterhin den Eindruck, wegen hoher Löhne und Sozialabgaben kurz vor dem Konkurs zu stehen und Deutschland verlassen zu müssen; der Sozialstaat wird in Folge von Ökonomie und Politik zur Disposition gestellt.

"Der Sozialstaat soll umgebaut werden, weil er -so die gängige These- nicht mehr finanzierbar ist, Staat und Wirtschaft überfordere, zum eigentlichen Verursacher für Wettbewerbsschwäche des Standorts Deutschland geworden sei und mitverantwortlich sei für die wachsende Arbeitslosigkeit. Die Grenzen des Sozialstaates seien nunmehr endgültig erreicht, ja sogar überschritten.Das soziale Netz soll mehr oder minder radikal ausgedünnt und auf eine Basisversorgung reduziert werden, um die Ausgaben und Abgaben herunterzudrücken.(es) geht um eine Totalrevision des historisch gewachsenen und erstrittenen, nunmehr aber für ,unmodern' erklärten Sozialstaatsmodells."<ref>Gerhard Bäcker 1995: Sind die Grenzen des Sozialstaates überschritten? In: Aus Politik und Zeitgeschichte vom16.06.95.</ref>

Die Klagen der Unternehmensverbände sind letztendlich nicht der Not, sondern der Gier geschuldet, ohne Gegenleistung (Arbeitsplätze) und auf Kosten der Allgemeinheit ihre Unternehmensgewinne stetig und unendlich steigern zu wollen. Die bisher -bzgl. gesamtgesellschaftlicher Integration und Beschäftigung- erfolglose Umverteilung volkswirtschaftlicher Ressourcen und sozialer Rechte von ,unten' nach ,oben', soll sogar verschärft werden, um dann doch irgendwann zum Wohle aller erfolgreich zu sein.Liest man zwischen den Zeilen, welche die Protagonisten der Angebotspolitik bemühen, um ihr Konzept auch zukünftig -mit noch gesteigerter Intensität- umzusetzen, kann man sich des Eindrucks oft nicht erwehren, sie verfolgen eine Form von Triebbefriedigung, wenn sie benachteiligte Menschen noch weiter ins soziale Abseits drängen; denn sachlich lässt sich nach Jahrzehnten des Scheiterns die Propaganda des Allgemeinnutzens der Angebotspolitik nicht legitimieren:

Wolfgang Schäuble äußert sich i.d.S. wie folgt (1994: 128ff):

"An der Tatsache, dass es nach einem tiefen Tal mit der Wirtschaft nun wieder aufwärts geht, zeigt sich, dass die gegen viel Kritik und Widerstände durchgesetzte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Koalition von CDU/CSU und FDP erfolgreich gewesen ist. (...) Mit dem Standortsicherungsgesetz wurden zudem die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in Deutschland deutlich verbessert. Wir haben, zum großen Ärger aller linken Ideologen, die Besteuerung von Unternehmen innerhalb der vergangenen fünf Jahre um elf Prozentpunkte gesenkt, was dazu geführt hat, dass die Ertragssteuer für Unternehmen sich heute auf dem niedrigsten Stand seit Bestehen der Bundesrepublik befindet. Unsere Politik der Deregulierung und Privatisierung hat Freiräume für mehr wirtschaftliche Dynamik geschaffen. (...) Nach den düsteren Gewitterwolken der vergangenen Jahre hat sich frischer Optimismus in den Geschäftserwartungen der deutschen Industrie ausgebreitet. (...) Die allerorten sprießenden Pflänzchen eines neuen Wirtschaftsaufschwungs sollten uns gleichwohl nicht übermütig machen. (...) Die Zukunft des Standorts Deutschland zu sichern, verlangt Umdenken. Mehr Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung, mehr Mut zur Zukunft, auch zum Risiko, sind unverzichtbar."

Auch Dierkes&Zimmermann sind Protagonisten der sozialen Spaltung (1996: 272f):

"Zudem zeigten sich in der Ölkrise von 1973 und der folgenden Weltrezession, sowie den veränderten Rahmenbedingungen des Modells Deutschland dann die Grenzen der Strategie (einer sozialen Regulation) in aller Schärfe. (...) In dieser Krisenphase des Modells bildeten sich dann auch Problemgruppen heraus, deren Integration an ökonomische, politische und ideologische Grenzen stieß: Von Arbeitslosigkeit geprägte Gruppen, Jugendliche, Langzeitzeitarbeitslose, ältere Arbeitslose, Behinderte, Frauen und Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen, die nur zum Teil noch bündnisfähig und damit integrierbar waren, aber schnell eine beträchtliche Blockademacht entwickelten. (...) Jedenfalls: Die Konsequenz dieses, Modernisierungsversuchs (,Wohlstand für alle') war eine deutliche Überforderung der öffentlichen Haushalte. (...)

Hier spätestens begann auch der unaufhaltsame Akzelerationsprozess der Ausgaben für Arbeitslose, Sozial- und Jugendhilfe, sowie Krankenversicherung, nicht zuletzt auch der Rentenversicherung.Die Finanzierung dieser Folgekosten wurde aber zunehmend prekär. Sie belastete die Leistungsträgerschaft der westdeutschen Gesellschaft empfindlich. Dies war so lange nicht weiter problematisch, wie der zu verteilende Kuchen ausreichend wuchs. Als dies aber nicht mehr der Fall war und die Verschuldung jegliche Manövrierfähigkeit des Staates zu absorbieren drohte, schien der politische Zwang zur ,Wende' und damit eine Neuorientierung auf das Leistungszentrum der deutschen Gesellschaft (,Leistung muss sich wieder lohnen') unabwendbar. Tatsächlich gelang es nach der 82er Wende (Helmut Kohl wird Bundeskanzler) längerfristig, die Lohnquote zu senken und die Einkommen aus Unternehmertätigkeit zu steigern; kurzfristig hatten auch Bemühungen um eine Rückführung der Nettoneuverschuldung einige Erfolge. Die vielfach eingeklagten ,großen' Reformen (z.B. der Unternehmens- und der leistungsfeindlichen Einkommensbesteuerung), um das Modell Deutschland in Zeiten wachsender Weitmarktkonkurrenz vital zu erhalten, blieben allerdings aus..."



Wie bei Schäuble verweigert man sich auch hier dem verfassungsrechtlich fixierten Solidarprinzip. Kaum dass der ,zu verteilende Kuchen' erstmals kleiner wurde, wollen und sollen die besser situierten Bevölkerungsteile von ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung entlassen werden. Diesen Interpretationsstrang des Sozialstaates greift bsp. dann auch Sabine Christiansen auf, wenn sie am 08.12. 2002 titelt: ,Wie viel soziale Gerechtigkeit kann sich der Staat noch leisten'. Wie selbstverständlich reiht sie sich damit in die Sozialstaatskritiker ein, die suggerieren, soziale Sicherung wäre für die Gesellschaft an sich dysfunktional und müsste in schlechten Zeiten und zum Schutz eines konstruierten virtuellen ,Gemeinwohls' nach unten angepasst werden. Stattdessen verfassungsgetreu zu fragen, wie die bestehenden Bedarfe benachteiligter Menschen trotz schlechter Zeiten realisiert werden können, trauen sich heute nur noch wenige. Dierkes&Zimmermann legen im Umkehrschluss sogar nahe, zu Gunsten der Wirtschaft auf die Integration "von (durch) Arbeitslosigkeit geprägte Gruppen -Jugendliche, Langzeitzeitarbeitslose, ältere Arbeitslose, Behinderte, Frauen- und Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen, die nur zum Teil noch bündnisfähig und integrierbar waren", zu verzichten. Was mit diesen Gruppen passieren soll, will man für ihre Integration kein Geld mehr ausgeben, bleibt offen. Da eine gewisse ,Beschwerdemacht' nicht bestritten wird, gäbe es als logische Konsequenz nur den gesellschaftlichen Ausschluss, Repression, die Aberkennung demokratischer Grundrechte.Sozialpolitik bekämpfen in zunehmendem Maße nicht mehr die Armut, sondern die Armen, stellt Hans-Jürgen Bieling treffend fest (2000: 50f).

Die geistig-moralische Wende:

Diese Wende gab Antworten darauf, was man mit benachteiligten Menschen machen soll. Sie wurden als ,unwürdige Arme' (vgl. ,Geschichtliche Grundlagen') stigmatisiert und zur Bedrohung eines konstruierten Gemeinschaftsinteresses erklärt. Vor diesem Hintergrund kann ihnen dann ohne öffentliche Widerstände zu provozieren, soziale Hilfe (schrittweise) verweigert werden. Im Anschluss werden sie als Sündenböcke ausgegrenzt und/oder öffentlich bestraft, um andere zu disziplinieren und abzuschrecken und v.a. um die verängstigten, unzufriedenen gesellschaftlichen Mehrheiten zu beruhigen und integrieren. Zur Arbeit gezwungen, werden zudem die Löhne gedrückt, die Gewinnspanne der Unternehmen erhöht und die öffentlichen Ausgaben für Gehwegreinigung, Parkpflege oder Straßenbau gesenkt.

Der einzelne benachteiligte Mensch verliert heute Würde und Schutzrechte, wenn er seine Nützlichkeit für die Gesellschaft nicht mehr unter Beweis stellen kann. In einer ,Arbeitsgesellschaft' liegen Nützlichkeit und Arbeit nahe beieinander, so dass es nicht wundert, wenn den Menschen, ihr ,Recht auf Arbeit' genommen und dieses durch die ,Pflicht zur Arbeit' ersetzt wird; Arbeitszwang und gestutzte Arbeitnehmerrechte sind die logische Konsequenz, sich über Arbeit die Existenzberechtigung verdienen zu müssen. Fehlen heute auch Peitsche und Fußfesseln, so wird doch staatlicherseits systematisch der Druck auf Arbeitslose und auch Arbeitnehmer erhöht, sich privatwirtschaftlich unter Preis zu verkaufen und ausbeuten zu lassen; von ,freier Berufswahl' (§12 GG) ist keine Rede mehr. Seit 20 Jahren wird der Druck in nicht enden wollenden kleinen Schritten erhöht, die erst in ihrer Summe auffallen und ihre Dramatik offenbaren: Die im Schatten sinkender Löhne zunächst quantitativ gesenkten sozialen Transferleistungen werden mit der Abschaffung von Krankengeld und der Quasi-Abschaffung von Arbeitslosenhilfe<ref>Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder am 14.03.03.</ref> später auch qualitativ eingeschränkt. Wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 14.03.03 sagt:

"Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen",

führt er ein zentrales gesellschaftspolitisches Projekt der konservativ-wirtschaftsliberalen Kohl-Regierung fort: Soziale Hilfen werden delegitimiert, die Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat durch Zugriffsrechte des Staates auf das Individuum ersetzt und der Einzelne zum ,Dienst an der Gemeinschaft' gezwungen. Arbeitslose müssen inzwischen jede Arbeit annehmen ohne Tarif-, Berufs- und weitestgehend ohne Einkommensschutz. Für Arbeitgeber -so besonders attraktiv- ersetzen sie teure Kollegen, die im Zuge von Lockerungen des Kündigungsschutzes oder -frühzeitig öffentlich subventioniert- in den Ruhestand gegangen sind.Diese hier in ihrer Fülle nicht dokumentierbaren einzelnen sozialpolitischen Verschärfungen verfolgen verschiedene Zwecke:

Da die sozialen Grund- und Menschenrechte, das Verhältnis von Individuum zur Gesellschaft und nicht zuletzt das Solidarprinzip ihre Begründung zu großen Teilen in der deutschen Geschichte zwischen 1933-45 gefunden haben, scheint es schlüssig, genau in der ,Emanzipation' von der Geschichte, den Schlüsselpunkt der geistig-moralische Wende identifizieren. Will man die sozialen Rechte der Individuen und damit zentrale Grundlagen der Verfassung in der Praxis untergraben, muss man sich zunächst von der sie begründenden Geschichte distanzieren. Wenn führende Vertreter der CDU seit Anfang der 80er Jahre zunehmend davon reden, ,spätgeboren' zu sein und im NS keine Verantwortung getragen haben zu können, geht es letztendlich nicht nur darum, sich vom ,Ballast der Geschichte' zu befreien, um zur ,Normalität' zurückkehren zu können.

Es zielt v.a. darauf ab, sich von den ,Lernerfolgen' aus der Geschichte lösen zu wollen; die sozialen Grund- und Schutzrechte unseres Klientels werden als der eigentliche Ballast empfunden, von dem es sich zu befreien gilt. Besser situierten Menschen wehren sich heute nicht mehr nur dagegen, getreu des Solidarprinzips, überproportional zur gesamtgesellschaftlichen Integration und Sicherung den sozialen Frieden in die Verantwortung gezogen zu werden; sie lehnen die Verantwortung für die (relativ) benachteiligten Gesellschaftsmitglieder generell ab und machen von ihrem gesellschaftlichen Einfluss Gebrauch, soziale Gerechtigkeit in ihrem Sinne neu zu definieren. Wer heute jedoch benachteiligten Menschen die Hilfe verweigern will, sollte sich nicht vor der Frage drücken dürfen, was denn alternativ mit diesen Menschen passieren soll -die ja noch leben und sogar Wahlrecht haben- wenn ihre soziale Integration aufgegeben wird. Während sich heute i.d.R. vor der Beantwortung gedrückt wird, lassen sich in der jüngeren deutschen Geschichte menschenverachtende Antworten finden; wer den Sozialstaat abschaffen will, sollte sich heute auch trauen, Antworten zu formulieren und dann die Konsequenzen zu tragen...

Zurück zur Chronologie:

bestreitet die CDU erfolgreich ihren Walkampf mit dem Motto ,Leistung muss sich wieder lohnen.' Der Staat solle sich aus der sozialpolitischen Regulation zurückziehen und die Frage gesellschaftlicher Ordnung dem freien Spiel der konkurrierenden Individuen überlassen. Es genüge, die Individuen formal für frei und gleich zu erklären und ihnen -unabhängig von ihren real unterschiedlichen Ressourcen- Chancengleichheit zuzuschreiben. Ihrer ,freien Entscheidung' ist es dann überlassenen, ihre ,Chance nutzen zu wollen', um eine gute gesellschaftliche Position zu erringen. Schaffen sie dies nicht, haben sie selber Schuld; ihre ,Chance' also vertan und ihre Legitimation auf soziale Unterstützung verloren. In Folge der durch die CDU angestoßenen Gerechtigkeitsdiskussion verliert die Verteilungsgerechtigkeit zunehmend an Bedeutung. Diese hatte bisher jedem benachteiligten Menschen mit Zugehörigkeit zum Gemeinwesen der Bundesrepublik, einen Rechtsanspruch auf ein menschenwürdiges Leben garantiert; seither wird Gerechtigkeit quasi mit Leistungsgerechtigkeit gleichgesetzt: ,Jeder ist seines Glückes Schmied', ,Von Nichts kommt Nichts', ,Ohne Fleiß kein Preis', ,wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen' gelten nun als Leitsätze für die ,Deutsche Leitkultur' und ihre Pädagogik; die ,Ich-AG' ist die idealtypische Institution eines allein auf Leistung und Konkurrenz basierenden Gerechtigkeitskonzepts; soziale Ungleichheiten werden ignoriert und legitimiert: Als vorab bestehendes Ressourcendefizit werden sie negiert; wenn bsp. Kinder aus benachteiligten Familien, Wohnorten und Wohnungen schlechtere Startchancen haben, bleiben zusätzliche Unterstützungsbedarfe unberücksichtig... Wenn diese Menschen dann später selber benachteiligt sind, werden die Benachteiligung legitimiert und ihre Ursachen individualisiert, weil man ja -wie jeder andere auch- die gleiche Chance gehabt hätte... Wenn man sich bsp. darauf beschränkt, Arbeiterkindern allein formal das Recht zu geben, auf das Gymnasium zu gehen, ohne jedoch die benachteiligenden sozialen Rahmenbedingungen seines Umfeldes auszugleichen, dann kann man nur schwer von sozialer Gerechtigkeit sprechen. Gerechtigkeit wird zunehmend vom Ergebnis, statt von den Ausgangsbedingungen her definiert; also v.a. durch den Erfolg selbst:

"Ökonomisierung der Sozialen Arbeit bedeutet für die Träger, dass die Finanzierung ihrer Angebote und Leistungen immer unsicherer, komplizierter, unüberschaubarer und bürokratischer wird. Experten sprechen heute von einer ,Misch- und Stoppelfinanzierung'. Ein BSP dafür bietet die sog. ,Co-Finanzierung', die im Rahmen der europäischen Einigung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Co-Finanzierung finanziert nach dem Grundsatz: Geld aus der einen Kasse ist nur zu bekommen, wenn aus einer anderen ein jeweils festgelegter Anteil hinzukommt. Ein europaweites Projekt zur sozialen Integration von alten Menschen wird z.B. zu einem beträchtlichen Teil aus dem Europäischen Sozialfond finanziert, aber nur unter der Bedingung, dass die Träger dieser Projekte in der Bundesrepublik ein Drittel des Finanzbedarfs aus bundesrepublikanischen Geldquellen aufbringen können. Der weitaus größere finanzielle Betrag wird also in Brüssel nur genehmigt, wenn es eine verbindliche Zusage für den kleineren Betrag eines Geldgebers aus der Bundesrepublik gibt.

Da es sich bei solchen Initiativen in der Regel um Vereine handelt, die nicht über Eigenmittel verfügen, muss dieser Betrag bei einem öffentlichen Träger in der Form eines Projektantrags aufgebracht werden. Die Initiatoren des Projektes müssen nun beide Antragsverfahren -beim Europäischen Sozialfond und bei der Landesregierung- gleichzeitig betreiben und dabei mit komplizierten bürokratischen Strukturen ganz unterschiedlicher Prägung umgehen, was ihnen ohne fremde und professionelle Hilfe -die wiederum bezahlt werden muss- kaum gelingen kann. Wenn die Bemühungen terminkongruent erfolgreich sind, kommen immer wieder Verträge zustande, die unterschiedliche Laufzeiten haben: bsp. bewilligt der Europäische Sozialfond eine Projektlaufzeit von drei Jahren, die zuständige deutsche Behörde erteilt aber nur ,Zuwendungsbescheide' von einjähriger Dauer, mit denen nicht sichergestellt ist, dass es nach der Erstbewilligung auch die Folgebewilligung geben wird. Wenn nun, was immer wieder geschieht, die Folgebewilligungen des öffentlichen Geldgebers in der Bundesrepublik nicht rechtzeitig oder gar nicht zustande kommt, erlischt automatisch die Finanzierung durch den Europäischen Sozialfond, die bindend an den Zuschuss aus der Bundesrepublik gekoppelt ist..."

"Keine Atempause! Geschichte wird gemach! Es geht voran!", sangen Fehlfarben 1980.<ref>Auf dem Album ,Monarchie und Alltag'.</ref> Die Zukunft wird Geschichte. Wie diese dann aussieht, hängt auch davon ab, wer sie macht; das ist wiederum eine Frage von Macht. Wird die Sozialgeschichte auch zukünftig nach dem gleichen Muster der letzten 20 Jahre und von den gleichen Personen gemacht, dann ist Soziale Arbeit ein Auslaufmodell; an dieser Stelle Vergleiche mit der deutschen Geschichte zu ziehen, ist unpopulär aber nicht unpassend. Will man sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, ist es wichtig, seine Profession (sozial-) politisch zu verstehen und eine Gegenmacht zu entwickeln, um die Geschichte im Interesse sozialer Gerechtigkeit, des Wohls benachteiligter Menschen und letztendlich gerne auch des eigenen Arbeitsplatzes zu beeinflussen. Ansatzpunkte, aus denen sich Argumentationsstränge zur Einflussnahme entwickeln lassen könnten, sollen im folgenden Kapitel skizziert werden.






Nächstes Kapitel: Zukunft wird gemacht!